Die Wintersonnenwende

Die Wintersonnenwende

Wie jedes Jahr habe ich mich schon lange im Voraus sosehr auf den heutigen Tag gefreut, auf den Tag der Wintersonnenwende, der den Zeitpunkt markiert, nach dem auf unserer nördlichen Hemisphäre die Tage wieder länger werden und das Licht in unser Leben zurückkehrt. Dass es seit Menschengedenken ein wichtiger Feiertag ist, war mir klar. Doch bin ich auch auf viele verschiedene Bräuche zum Julfest gestoßen, die ich noch gar nicht kannte und zwar aus dem slawischen und keltischen Sprach- und Kulturraum. In diesem Artikel werde ich einige davon beschreiben. Die besser bekannten skandinavischen Jultraditionen habe ich außer Acht gelassen. Und nun beginnen wir mit dem wesentlichen Kern des Festes.

Die Wintersonnenwende als uralter Kalendereichpunkt

Dass die Bestimmung des genauen Zeitpunktes der Wintersonnenwende für die Menschen vor vielen tausenden von Jahren wichtig war, können wir aus der Tatsache erahnen, dass sie riesige Monumente gebaut haben, die genau diesen Zweck erfüllen. Steinkreise oder Grabkammern, deren Steine so angeordnet sind, dass nur am Tag der Wintersonnenwende das Licht durch eben jene bestimmte Pforte fällt, sind in ganz Nordeuropa bekannt. Stonehenge und Newgrange sind die bekanntesten Beispiele und so gibt es noch ungezählte andere, sicher auch viele, die bereits zerstört darniederliegen. (Die Steinkreise haben auch Pforten, die den Zeitpunkt der Sommersonnenwende anzeigen und es gibt in Irland auch Grabhügel, die am Sonnenstand zur Sommersonnenwende ausgerichtet sind).

Es gibt übrigens auch in Nordamerika Steinkreise, von denen man annimmt, dass sie als steinzeitliche Himmelsobservatorien gedient haben. Die Wintersonnenwende wurde und wird nicht nur in Europa gefeiert.

Aber nicht nur aus Stein haben die Menschen solche Anordnungen gebaut. Die Anlage in Pömmelte zeigt uns, dass in der Mitte Deutschlands die Menschen aus Holz ein enorm großes Ringheiligtum angelegt haben, dessen Pforten genau zu den Zeitpunkten zwischen den Sonnenwenden und den Tagundnachtgleichen ausgerichtet sind, also indirekt an den Sonnenwenden ausgerichtet. Dass solche kreisförmigen Anordnungen aus Stein oder Holz auch noch andere rituelle Zwecke erfüllt haben, belegen zahlreiche Funde. Es handelte sich um Kathedralen der späten Steinzeit.

Wie wohl so ein altes Wintersonnwendritual aussah?

Wie gerne wäre ich selber mal dabei und würde Mäuschen spielen bei einer steinzeitlichen oder bronzezeitlichen Zeremonie zur Wintersonnenwende. So habe ich beim Schreiben meines Liedes „Das alte Heiligtum“ meine Phantasie spielen lassen und habe ein solches Ritual in Ansätzen beschrieben. Wie die Menschen sich versammeln und eine natürliche Prozessionsstraße beschreiten, die Priester*innen, die das Feuer tragen laufen voran, wie sie dann im Heiligtum die ganze Nacht ausharren und dann, wenn die Sonne aufgeht und der Lichtstrahl durch die steinerne Pforte tritt, die Menschen staunen und die Trommeln schlagen und die Priester*innen heilige Gesänge anstimmen…

Hier kannst Du das Lied hören:

Yule – das alte Heiligtum – Mystic Folk

Und Du kannst hier das Panorama des Himmels über Stonehenge in Echtzeit verfolgen:

https://www.stonehengeskyscape.co.uk/

falls Du sehen möchtest, wie dort heute am 21.12. die Sonne untergeht und morgen am 22.12. die Sonne aufgeht.

Oder Du kannst hier eine live Übertragung vom Sonnenaufgang am 22.12. ansehen, die um 7:00 Uhr GMT beginnt mit Sonnenaufgang um 8:09 Uhr GMT :

https://www.youtube.com/watch?v=nHAW279FnSo

Es ist sogar anzunehmen, dass die Menschen noch bevor sie in der Lage waren, solche Anordnungen zu bauen, die Bahn der Sonne genau studiert haben und sich markante Punkte in der ihnen bekannten Landschaft ausgeguckt haben, die ihnen dabei geholfen haben, den Zeitpunkt der Sonnenwenden zu bestimmen. Kann ich das beweisen? Nein, nicht wirklich. Aber es ist an einigen Orten so überliefert und ich halte es für sehr wahrscheinlich.

Sonnenaufgang in Stonehenge

Die Wintersonnenwende war ein wichtiger Zeitpunkt für den Ackerbau

Warum war die Bestimmung des Tages der Sonnenwende so wichtig? Es war vor allem für alle Kulturen wichtig, die Pflanzen angebaut haben. Denn die Pflanzen richten ihren Vegetationszyklus nach der für sie verfügbaren Sonnenenergie aus. Und somit mussten alle ackerbäuerlichen Kulturen wissen, wann ein Sonnenzyklus hier auf der Erde endet und der neue beginnt, damit sie dementsprechend die Pflanzen setzen und aussäen können. Könnten sie nicht einfach auf andere Zeichen der Natur achten? Ja, das haben sie sicher auch gemacht. Die Sonnenwenden sind jedoch ein guter Ankerpunkt für kalendarische Beobachtungen und Aufzeichnungen.

Die Tatsache, dass in Pömmelte direkt der Zeitpunkt im Frühling zur Aussaat und der Zeitpunkt im Herbst zur Ernte bestimmt werden konnte belegt diesen Zusammenhang weiter. Auch die Beigaben von Mühlsteinen dort legen die enge Verknüpfung der ackerbäuerlichen Kultur mit diesem wichtigen Zweck des Heiligtums nahe.

Die Wiedergeburt des Lichtes wurde gefeiert

Der Aspekt, dass das Licht nach der Wintersonnenwende wieder zurück kommt dürfte jedoch ein fast noch wichtiger Aspekt gewesen zu sein, ein kultischer Aspekt der ausgiebig und ekstatisch gefeiert wurde. Für die Menschen vor tausenden von Jahren waren die Winter besonders hart, gab es in dieser Jahreszeit doch meist Hunger, Krankheit und Tod. Das Wiedererstarken der Sonnenkraft brachte Hoffnung und Zuversicht und bestärkte die Menschen darin, dass die ihnen bekannte Welt weiterhin in einer höheren Ordnung eingebettet ist.

Wer schon mal eine Polarnacht erlebt hat dürfte in etwa nachempfinden können, wie die Menschen sich früher gefühlt haben, wenn die Sonne wieder zu sehen ist oder eben in unseren Breiten wieder an Kraft gewinnt. Ach, ich denke, das können wir alle nachempfinden, obwohl die Härte der Winter uns nicht mehr sosehr trifft wie die Menschen vor 5.000 Jahren. Schreibe mir gerne in den Kommentaren Dein Empfinden zur Wintersonnenwende.

In den verschiedenen heidnischen Traditionen gibt es unterschiedliche Bilder und Symboliken, die die Wiedergeburt des Lichtes beschreiben. Es heißt der Sonnengott wird zur Wintersonnenwende neu geboren. Oder es heißt der Eichenkönig besiegt den Stechpalmenkönig, was symbolisch ist für die Kraft der Sonne, die die Dunkelheit besiegt. Und wer gebärt den Sonnenkönig? Die Große Göttin, die Erdmutter. Im keltischen Kulturraum gibt es auch eine Verknüpfung mit der Göttin Brighid, die Strahlende. Sie ist das Licht selber. Durch die Christianisierung geriet sie dann in die Rolle der Hebamme von Maria. Das passt zu ihrem Aspekt als Patronin aller Hebammen und Hüterin aller Heilquellen.

Die Wintersonnenwende wurde vom Christentum vereinnahmt

Im Prinzip wurden fast alle heidnischen Jahreskreisfeste mehr oder weniger vom christlichen Glauben absorbiert oder auch annektiert. Beim Weihnachtsfest tritt dieser Aspekt jedoch am deutlichsten hervor und deshalb erwähne ich es in diesem Artikel.

Im frühen Christentum gab es kein Weihnachtsfest. Die Geburt Christi spielte nicht wirklich eine Rolle. Für die frühen Christen waren Ostern und Pfingsten  wesentliche Feiertage. Da die Wintersonnwendfeiern in ganz Nord- und Mitteleuropa für die Menschen so wichtig und elementar waren, dass man sie ihnen nicht austreiben und verbieten konnte, wurde das Fest der Geburt Christi ganz nah zur Wintersonnenwende datiert. Symbolisch passt es sehr gut. Der Sohn des Lichts wird geboren, das heilige Kind. Das entspricht sehr dem Bildnis des Sonnengottes der aus dem Schoß der Erdmutter zu Mittwinter wiedergeboren wird.

Und all die vielen heidnischen Gebräuche wurden rüber transportiert ins Weihnachtsfest. Die Tannen, die Kränze aus Stechpalmen, die Mistelzweige, das Gebäck, die Geschenke, der Rentierschlitten und der Weihnachtsmann. Jedoch war es auch noch einige Jahrhunderte nach der Einführung von Weihnachten bei protestantischen Christen in England verpönt dieses „heidnische“ Fest zu feiern und zum Beispiel Oliver Cromwell für seinen Teil hätte es am liebsten ganz verboten.

Daran kann man sehr schön sehen wie wichtig dieses uralte Fest für unsere Vorfahren war, seit der Steinzeit bis heute.

Ein paar Bräuche von den Britischen Inseln

Und wo es grade um England geht… Beim Recherchieren bin ich auf viele Gebräuche gestoßen, die auf den britischen Inseln größtenteils heute noch üblich sind. So wie die Prozessionen mit der weißen Stute in Wales und das Wassailing, bei dem durch Schlagen auf einen Apfelbaum und Opfergaben in Form von Apfelwein der Geist des Baumes zum Leben erweckt wird und um eine reiche Ernte gebeten wird.

Die Druiden haben zu Yule Misteln von den Eichen geschnitten und mit Stechpalmenzweigen zusammen zweitägige Feuerrituale vollführt. Böse Zungen behaupten, sie hätten die Misteln selber auf die Eichen gepflanzt, um sie später ernten zu können.

Es gibt den heiligen Holzscheit, meist aus einer Esche, weil diese das Leben symbolisiert, welcher am Heiligen Abend  oder eben am Abend der Wintersonnenwende verbrannt wird und der 12 Tage lang halten soll, also Stück für Stück immer weiter ins Feuer geschoben wird. Und hier zeigt sich ein weiterer Brauch, der tief mit der Wintersonnenwende verbunden ist, nämlich die 12 Rauhnächte. Das Englische Wort „winter solstice“ leitet sich daraus her, dass die Sonne zu dieser Zeit stillsteht (solstitium lateinisch für sol = Sonne und sistere = Stillstehen) und so sagte man die Sonnwendfeier ging 12 Tage an denen die Sonne still steht.

Die Wintersonnenwende war früher das Neujahrsfest

Im slawischen Raum heißt das Yulfest „Korotschin“, was erster Schritt bedeutet. Die Sonne macht ihre ersten Schritte wieder höher aufzusteigen und mit ihr macht das Neue Jahr seine ersten Schritte. Für unsere Vorfahren war die Wintersonnenwende die Neujahrsfeier, denn zum Sonnenaufgang nach der längsten Nacht im Jahreskreis beginnt das Neue Sonnenjahr. Deshalb sind auch so viele Gebräuche zur Wintersonnenwende gleich oder ähnlich unseren modernen Neujahrsbräuchen, so wie das Orakeln und lärmend das Neue Jahr zu begrüßen.

Moment mal… kam Dir dieser Satz annähernd bekannt vor? Habe ich denn nicht schon sowas ähnliches in meinem Samhain Artikel geschrieben? Dass Samhain für die Kelten das Neujahrsfest sei und dass viele Samhaingebräuche unserem Neujahrsbrauchtum ähneln? Ja, tatsächlich bin ich auch auf einige Traditionen zu Yule gestoßen, die denen zu Samhain ähnlich sind, die da wären Prozessionen von verkleideten Menschen, die umherziehen und von den Zuschauern mit Süßigkeiten versorgt werden. Das Ausrichten von Festtafeln für die Verstorbenen, die im slawischen Raum zu Yule üblich sind oder die Feuerrituale, die überall durchgeführt wurden samt dem Auslöschen aller Herdfeuer, die dann mit der Glut aus den Ritualfeuern wieder neu angezündet werden.

In meinem Samhain Artikel hatte ich auch erwähnt, dass der neue Tag für die Kelten bei Sonnenuntergang beginnt. Dieses Konzept kann man auf den Jahreskreis übertragen. Für die Kelten beginnt das Neue Jahr wenn die Zeit der Dunkelheit sich ankündigt. Dagegen steht das Konzept dass der Neue Tag zu Mitternacht beginnt oder eben das Neue Jahr zu Mittwinter.

Was sind Deine Gebräuche zu Yule?

Wie begehst Du das Julfest oder das Weihnachtsfest? Mit Kerzen, Gebäck, Kränzen aus immergrünen Pflanzen? Mit einem Feuerchen, einem Festessen im Kreise der Familie, mit Geschenken und gemeinsamem Singen? Oder ganz anders, sei es besinnlich oder ekstatisch? Über Kommentare freue ich mich sehr. Wie auch immer Du feierst, ich wünsche Dir ein gesegnetes Fest und einen magischen und zauberhaften Start in das Neue Sonnenjahr.

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