Wissen ist eine Schwester der Mystik
Hat Mystik in unseren Tagen überhaupt noch eine Berechtigung? Wie kann man sich heutzutage noch mit mystischen Themen befassen? Trotz Aufklärung und Materialismus?
Diesen Fragen möchte ich heute mit Dir zusammen etwas nachgehen, denn Mystik ist meiner Meinung nach sehr relevant, besonders für uns Menschen in der Moderne.
Doch erst mal möchte ich den Begriff Mystik kurz erläutern. Er kommt vom altgriechischen Wort „mystikós“ für „geheimnisvoll“. Mystische Strömungen gibt es in allen Weltreligionen. Das sind Strömungen, die Einheitserlebnisse mit Gott oder noch einfacher mit einem allumfassenden Bewusstsein anstreben und diese auch beschreiben.
Wie würdest Du Mystik beschreiben? Was bedeutet es für Dich? Schreibe mir gerne dazu einen Kommentar.
Im weitesten Sinne sagen wir etwas ist mystisch, was sich unseren Sinnen und unserem Verstand entzieht, was nicht zu beweisen oder zu erklären ist. Etwas, was sich versteckt, was im Verborgenen liegt. Und das empfinden die Menschen als besonderen Reiz. Es gibt mystische Geschichten, mystische Bilder, mystische Musik und mystische Orte.
Das Versteckte bietet eine gewisse Entspannung und regt gleichzeitig die Fantasie an.
Mein Eindruck ist, dass viele Menschen gerade in unserer heutigen Zeit genau danach suchen. Als Indizien in Deutschland sehe ich die seit vielen Jahrzehnten wachsende Beliebtheit keltischer Musik, die vielen Mittelaltermärkte, die aus dem Boden sprießen und das Wiederbeleben alter europäischer Religionen in den neuheidnischen Bewegungen.
Viele Menschen haben ein Bedürfnis nach solchen Momenten, in denen sie durch ein Fenster ihres Geistes ihre Alltagswelt für kurze Zeit hinter sich lassen können und danach gestärkt zurück kommen.
Was ist Dein Eindruck dazu?
Mystik ist sehr individuell erlebbar
Die Menschen unserer Zeit erleben die Welt ganz sicher anders als die Menschen vor tausend oder zehntausend Jahren. So erlebte zum Beispiel Hildegard von Bingen die ihr bekannte Welt anders als die Höhlenmaler von Lascaux. Der kulturelle Rahmen war ein ganz anderer und auch das zeitgemäß verfügbare Wissen unterschied sich enorm.
Das mystische Einheitserlebnis war schon immer sehr individuell. Was das Erlebnis so individuell macht, das sind die kulturell geprägten Konzepte, Bilder und Symbole, die das Gehirn dem Menschen dazu eingibt. Der eine hat Visionen von der Jungfrau Maria, der anderen erscheint die weiße Tara und wiederum ein anderer fühlt sich in einen duftenden Rosengarten versetzt. Diese individuelle Komponente des spirituellen Erlebnisses macht die Mystik meiner Meinung nach sehr interessant und relevant für unsere moderne Welt. Wir leben in einer Zeit, in der wir vermehrt selber über unsere Spiritualität entscheiden wollen, in der wir sogar über alle möglichen spirituellen Traditionen der ganzen Welt vieles lernen können.
Du kannst morgen in den Flieger steigen und ein paar Monate in einem tibetischen Kloster verbringen oder aber in den Urwald des Amazonas fliegen und von einem Medizinmann/Schamanen lernen.
Wissen vertieft das spirituelle Erlebnis
Wie kann das sein? Du möchtest mich jetzt bestimmt darauf hinweisen, dass ich zuvor schrieb, wir nennen etwas mystisch, wenn es im Verborgenen liegt und dass Mystik „geheimnisvoll“ bedeutet.
Mystik ist nur von außen betrachtet geheimnisvoll. Denn das mystische Erleben ist für eine objektive Betrachtung nur sehr schwer greifbar. Der Reiz der Mystik liegt meiner Meinung nach im Gleichgewicht zwischen dem Zulassen von Nicht-Wissen und Geheimnissen im eigenen Leben und dem Streben nach Wissen und Vereinigung mit dem Großen Ganzen.
Früher gab es Mysterienkulte, in denen geheimes Wissen weiter gegeben wurde. Techniken zur Erweiterung des Bewusstseins und Wissen über das Lenken von Energien mittels Ritualen. Nach außen hin war das Wissen zwar geheim, aber die Menschen, die in diese Kulte eingeweiht waren, haben grade aufgrund ihres vermehrten Wissens mystische Erfahrungen machen können.
Wissen ist eine Schwester der Mystik
Dazu möchte ich Euch etwas aus meiner Erfahrungswelt schildern:
Ein sehr tiefes mystisches Erlebnis hatte ich, als in meinem Studium die Lektion über das Chlorophyll dran war. Ich saß an meinem Schreibtisch und las im dicken Wälzer für Biochemie wie die Energie eines Photons in mehreren faszinierenden Schritten in die chemische Energie einer Kohlenhydratverbindung umgewandelt wird. Dann blickte ich auf und schaute aus dem Fenster, als in diesem Moment die Sonne durch das frische Grün der Bäume vor meinem Fenster funkelte. Was ich dabei gefühlt habe, kann ich schwer in Worte fassen, ich würde es mit Tiefe beschreiben, ein Raum des Verstehens, der sich für Millisekunden geöffnet hatte und dann wieder zuging.
Das Wissen hatte mein mystisches Erleben vertieft.
Kennst Du solche Momente des tiefen Verstehens? Wenn Du magst, schreib mir davon.
Die Relevanz von Mystik in unserer Zeit
Wir haben heutzutage freien Zugang zu so viel Wissen, wie vielleicht noch nie zuvor. Auch über früher nur Eingeweihten zugängliche Geistestechniken oder über neue Erkenntnisse in der Quantenmechanik. Und mein Eindruck ist, dass die verschiedenen Wissensgebiete sich langsam wieder annähern und daraus sehr wichtige Erkenntnisse für uns alle resultieren werden. Physik und Theologie könnten bald wieder in einen Dialog miteinander treten. Gehirnforscher können abbilden, was in dem Gehirn eines betenden Mönches oder einer Frau mit seherischen Begabungen vor sich geht. Und es gibt empirische Ansätze der Erforschung über die Wirkung von Gebeten auf den Verlauf von Heilungsprozessen.
Wir leben in einer wirklich erstaunlichen Zeit, in der Mystik nichts an ihrer Faszination verloren hat, in der die Mystik mit ihrer Schwester dem Wissen wieder enger zusammen rücken darf. Eine Zeit, in der immer mehr Wissen für uns alle zugänglich ist und in der die Menschen sich gleichzeitig nach mehr Verbundenheit sehnen, mehr Verbundenheit mit der Natur, mit den Tieren und zwischen den Menschen. Und eine Zeit, in der die Menschen immer mehr Selbstbestimmung über ihre individuelle Spiritualität erlangen. Die Mystik kann zwischen all diesen Aspekten ein wichtiges Bindeglied sein und ist in meinen Augen relevant wie eh und je. Dass ich es so sehe ist dabei nicht wirklich überraschend, oder? 😉
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